Kommunikation übers Kommunizieren: Warum ‚kommunizieren‘ intransitiv ist … oder: Warum wir nicht mehr ‚miteinander‘, sondern ‚etwas‘ kommunizieren
Man kann nicht nicht kommunizieren!“ – Diese Erkenntnis hatte schon Kommunikationswissenschaftler Paul Watzlawick (1969) und erklärte sie kurzerhand zum ersten Axiom seiner berühmten Kommunikationstheorie. Es besagt, dass zwei Menschen, sobald sie sich gegenseitig wahrnehmen, automatisch auch miteinander kommunizieren. Jedes Verhalten, egal ob nonverbal oder unbewusst, ob mich mein Gegenüber anlächelt, sich einfach nur wegdreht oder mich aber mit einem freundlichen ‚Hallo!‘ begrüßt, stellt demnach eine Kommunikationssituation dar; Sprache ist in soziales Handeln eingebettet.
Deshalb und weil uns die sog. ‚pragmatische Wende‘ in der oft so systemorientierten Sprachwissenschaft auch die Bedeutung des Sprachgebrauchs nahegebracht hat, scheint eine Sache umso verwunderlicher: Menschen kommunizieren heute auf einmal nicht mehr miteinander. Sie kommunizieren etwas. Ob nun ein Anbieter seinen Kunden die Vorzüge eines neuen Produktes kommunizieren will oder der Sekretär der Chefin die anstehenden Termine kommuniziert – die sog. transitive Verwendung von kommunizieren findet mittlerweile nicht nur in der Arbeitswelt immer mehr Verbreitung.
Warum aber hört und liest man solche Formulierungen überhaupt, und wieso stößt man sich vielleicht sogar an ihnen, beschreibt doch Sprachwandel aus linguistischer Perspektive lediglich die (wertfreie) Dynamik und Veränderbarkeit von Sprache? Werfen wir dazu mal einen Blick in einige prominente Wörterbücher des Deutschen, wie z.B. Duden oder Wahrig, und prüfen, was diese uns Sprachnutzern empfehlen: Diese legen – etwa für den Zeitraum von 1980 bis 2000 – neben (1) einem rein technischen Gebrauch im Sinne von Geräten, die ‚mit etwas kommunizieren‘ bzw. ‚in Verbindung stehen‘ oder (2) der Paraphrase des katholischen-religiösen Initiationsritus ‚die Kommunion empfangen‘ noch ein Bedeutungsspektrum für das Verb ‚kommunizieren‘ nahe, das von (3) ‚sich (miteinander) verständigen‘ bis hin zu ‚miteinander sprechen‘ reicht. Neben der Tatsache, dass es ohnehin schon jede/r macht, die/der sich besonders gewichtig ausdrücken möchte, ‚dürfen‘ wir es sogar ab den darauffolgenden Auflagen der o.g. Referenzwerke, die hier offensichtlich auf den Sprachwandel reagiert haben, auch ‚offiziell‘ (wieder): Wir ‚dürfen‘ tatsächlich etwaskommunizieren! Ohne Rücksicht auf ein Gegenüber. In der grammatisch adäquaten, fachterminologisch korrekten Ausdrucksweise bedeutet das, dass das eigentlich intransitive Verb kommunizieren, das von seiner Valenz her ursprünglich kein Akkusativobjekt fordert (also eine Botschaft oder einen Termin z.B.), in der Bedeutungserweiterung (oder -reduktion? – oder eben doch vielleicht nur -verschiebung?) von ‚etwas mitteilen‘ transitiv verwendet werden kann, sprich: ein Akkusativobjekt nach sich zieht. Damit wird das Objekt, das Etwas, über das kommuniziert wird, in den Fokus der Handlung gerückt. Diese transitive Lesart im Sinne von (seine Meinung) mitteilen, kundtun wurde allerdings bereits im Jahr 1982 im umfassenden Brockhaus-Wahrig-Großwörterbuch eindeutig als ‚veraltet‘ etikettiert und ist auch häufig nicht in Deutsch-als-Fremdsprache-Wörterbüchern gelistet.
Umso interessanter gestaltet sich das Bild, wenn grammatisch Interessierte nun bspw. in der Wahrig-Ausgabe von 2007 als Vermerk hinter dem Lemma ‚kom|mu|ni|zie|ren (intr.)‘ nachlesen können, dass es sich (nach wie vor) eindeutig um ein intransitives Verb handelt, also um ein Verb, das kein Akkusativobjekt fordert, obwohl neben der o.g. ursprünglichen auch die Bedeutung von kommunizieren als ‚(etwas) mitteilen‘ angegeben wird. Wollen Wörterbuchschreiberinnen und -schreiber ihre fachkundigen Leserinnen und Leser vielleicht absichtlich verwirren oder möchten sie sie so zum Nachdenken über Sprache anregen? Oder aber irren wir uns vielleicht völlig, und ‚etwas kommunizieren‘ wird überhaupt nicht transitiv gebraucht, sondern es liegt lediglich eine Abschwächung von ‚kommunizieren‘ vor, so dass wir alle irgendwann angefangen haben, nicht mehr in vollem Maße, sondern nur noch ein bisschenoder eben etwas zu kommunizieren? Man weiß es nicht …
Wieso das alles aber überhaupt so erstaunlich ist, weshalb die Lesart etwas kommunizieren bei vielen sprachlich Interessierten und miteinander Kommunizierenden Verwunderung hervorruft, liegt vor allem daran, dass Kommunikation selbst einen beidseitigen, bidirektionalen, Akt beschreibt. Wie schon in Watzlawicks Axiom anklingt, sind mindestens zwei Personen am Kommunikationsgeschehen beteiligt: eine, die agiert, und eine, die wahrnimmt und interpretiert – und somit eben auch (re-)agiert und wiederum von der anderen Person wahrgenommen wird. ‚Kommunikation‘ ist demnach ein positiv konnotiertes Wort: (Zwei) Menschen kommunizieren miteinander. Wird kommunizieren aber nun verwendet wie in ‚Wir müssen unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter informieren / sie in Kenntnis setzen / ihnen etwasmitteilen‘, wird ‚Kommunikation‘ wieder als rein wörtliche Übersetzung von lat. communicatio, ‑onis (f.) = Mitteilung, Unterredung (Georges 1913, s.v.) verstanden und zur einseitigen, direktionalen, eindeutig sprecherfokussierten Handlung ‚degradiert‘. Dann wird Watzlawicks Erkenntnis gewissermaßen zugunsten eines vermeintlichen, bildungssprachlichen Euphemismus (vielleicht sogar angestoßen durch einen Anglizismus analog zu (to) communicate sth.) verworfen und es steht eben nicht mehr der beidseitige Austausch, bei dem miteinander Kommunizierende in Beziehung zueinander treten, im Vordergrund.
Nicht zu verkennen ist hierbei vor allem auch das manipulative Potenzial: Wenn A nun B etwas kommuniziert, kann A auf diese Weise B ganz subtil seine Position oder seine Haltung aufdrängen. A kann sich dann sogar hinter einem ‚Wir haben doch darüber gesprochen – oder eben – miteinander kommuniziert!‘ verstecken. Es geht also darum, dass eine Sprecherin / ein Sprecher unter dem Deckmantel eines ‚Frames‘ bzw. einer Vorstellung von ‚Kommunikation‘ (verstanden als beidseitiger Austausch) einer Adressatin / einem Adressaten eine Mitteilung oder eine Meinung auferlegen kann, indem sie/er kommunizieren transitiv in der Bedeutung von ‚etwas mitteilen‘ verwendet, ohne dabei auf die Adressatin / den Adressaten eingehen zu müssen bzw. sich tatsächlich mit dieser/m auszutauschen. Dass Sprachteilhaberinnen und Sprachteilhaber ihrem Mitteilungs- und Darstellungsbedürfnis nur allzu gern nachgehen, ohne überhaupt an einem ‚echten‘, tatsächlich funktionierenden und beidseitigen Austausch interessiert zu sein, ist keine Seltenheit. Damit machen sie sich diese kleine feine Nuance bewusst oder unbewusst zu Nutze, um die Kommunikationshandlung selbst dann für sich (oder auch für und vor anderen) als beidseitige Kommunikation miteinanderzu konzeptualisieren (oder auch: schönzureden?).
Ich kommuniziere. Du kommunizierst. Wir alle kommunizieren. Aber: Man kann nicht etwas kommunizieren – Sprachwandel hin oder her! Allenfalls kann man mit jemandem über etwas kommunizieren. Da aber genau dieses Mit-einander nicht immer auch beabsichtigt wird und trotzdem alles eloquent formuliert oder auch sprachlich ‚schön verpackt‘ werden muss, wird sowohl der Ausdruck selbst als auch die mit ihm verbundene Sprechhandlung ‚kommunizieren‘ im modernen Sprachgebrauch einfach zweckentfremdet und ad absurdum geführt.
Autorin: Ilka Lemke
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