„Ich Tarzan, Du Jane!“ – Die sprechenden Primaten

Warum können wir sprechen, wann begannen wir es zu tun, und worin unterscheidet sich die Menschensprache von den Tiersprachen?

Es ist uns allen klar, dass wir Menschen etwas Besonders sind. Aber worin liegt diese Besonderheit begründet? Forscher argumentieren, dass es unser komplexes Sprachsystem ist. Viele Tiere sind in der Lage, Laute zur Kommunikation zu nutzen. Es gibt jedoch einen gewaltigen Unterschied zwischen dem Schrei eines Vogels, dem Bellen eines Hundes und einem Menschen, der vor einem Publikum steht und Shakespeares Hamlet „To be or not to be, that is the question“ rezitiert.

Jede menschliche Sprache hat ein Vokabular von zehntausenden Worten, das sich aus mehreren dutzenden Sprachlauten zusammensetzt. Sprecher können eine unbegrenzte Anzahl von Phrasen und Sätzen aus Wörtern sowie eine kleine Sammlung von Präfixen und Suffixen bilden. Zudem ergibt sich die Bedeutung von Sätzen aus der Bedeutung der einzelnen Wörter. Noch bemerkenswerter ist, dass jedes Kind typischerweise das ganze System lernt, indem es hört, wie andere es benutzen. Tierkommunikationssysteme hingegen haben höchstens ein paar Dutzend verschiedene Aufrufe, und sie werden nur verwendet, um unmittelbare „Probleme“ wie Nahrung, Gefahr oder Bedrohung zu kommunizieren. Diese enorme Kluft zwischen Mensch und Tier hat zu einer Vielzahl von Theorien darüber geführt, wie der Mensch diese unvergleichliche Fähigkeit entwickelt hat.

Die erste und vielleicht auch wichtigste Frage ist also: Unterscheidet sich die menschliche Kommunikation wirklich von allen anderen Kommunikationssystemen? Und wenn ja, was macht sie so besonders? Viele Linguisten haben sich mit diesen Fragen beschäftigt.

Noam Chomsky, derzeit einer der berühmtesten Sprachwissenschaftler der Welt, hat genau diese Frage untersucht. Um die menschliche Kommunikation zu verstehen, beschrieb er zunächst zwei strenge Vorstellungen der Sprachfähigkeit: Die eine breiter und integrativer, die andere eingeschränkter und enger. Die erste Konzeption nennt er „Sprachfähigkeit – im weiten Sinne“ oder FLB (faculty of language – broad sense). FLB ist die allgemeine Fähigkeit, Sprache zu verwenden. Dazu gehören auch Dinge, die nicht sprachspezifisch sind, wie z.B. das Gedächtnis und die physische Sprachanatomie (Mund, Hände, etc.). Die zweite Konzeption ist „Sprachfähigkeit – im engeren Sinne“ oder FLN (faculty of language – narrow sense). Dies ist ein Bestandteil von FLB. Es umfasst die Komponenten der menschlichen Fähigkeit, Sprache zu verwenden, die nur für die Sprache und nicht für allgemeinere physische, biologische oder kognitive Prozesse verwendet werden. Chomsky schränkte die Eigenschaften von FLN auf eine bestimmte Operation ein, die er als merge definierte. Merge ist die Operation, die es uns ermöglicht, größere aus kleineren Phrasen (oder Wörtern) zu erstellen. In seiner Studie stellt Chomsky die Hypothese auf, dass die meisten, wenn nicht sogar alle Komponenten von FLB auf Mechanismen basieren, die mit Tieren geteilt werden. Er sagt also, dass die Einzigartigkeit der menschlichen Sprache in FLN begründet liegt, und dass die Sprache biologisch entwickelt und von Natur aus gelernt ist.

Ein weiterer bekannter Linguist, der die Merkmale und Unterschiede zwischen dem menschlichen Kommunikationssystem und anderen Kommunikationssystemen untersuchte, ist Charles F. Hockett. Hockett hatte eine andere Sichtweise als Chomsky darauf, was die menschliche Sprache besonders macht. Er definierte eine Reihe von 16 Merkmalen, die die menschliche Sprache charakterisieren und sie von der Tierkommunikation unterscheiden. Er nannte diese Eigenschaften the design features of language und sagte, dass, obwohl verschiedene Tierkommunikationssysteme einige dieser Merkmale aufweisen, nur das menschliche Kommunikationssystem – egal welche Sprache – sie alle erfüllt.

Beschäftigt man sich mit der Sprachfähigkeit von Menschen, stellt sich außerdem eine weitere Frage: Wie und wann begann der Mensch überhaupt zu sprechen? Dies ist eine der größten Fragen, die die linguistische Forschung bisher noch nicht endgültig beantworten konnte. Leider hinterlässt Sprache keine materiellen Relikte und ist deswegen sehr schwer prähistorisch zu untersuchen. Wenn man auf die ältesten Aufzeichnungen der menschlichen schriftlichen Kommunikation (vor ca. 5000 Jahre) zurückblickt, sieht alles im Grunde gleich aus. Sprachen ändern sich im Laufe der Zeit allmählich, manchmal aufgrund von Veränderungen in der Kultur und manchmal als Reaktion auf den Kontakt mit anderen Sprachen, aber die Grundarchitektur und die Ausdruckskraft der Sprache bleiben unverändert.

Eines können wir mit Sicherheit sagen: Vor etwa 50.000 bis 100.000 Jahren geschah etwas Wichtiges in der menschlichen Entwicklungsgeschichte: Wir beginnen gerade kulturelle Artefakte wie Kunst und Ritualgegenstände aus dieser Epoche zu entdecken. Dies sind Beweise für die Entwicklung dessen, was wir heute Zivilisation nennen. Aber was hat sich genau zu diesem Zeitpunkt verändert? Sind Menschen klüger geworden? Haben sie plötzlich eine Sprache entwickelt? Wurden sie wegen der intellektuellen Vorteile, die die Sprache bietet, klüger? Wenn sie dann die Sprache entwickelt haben, sind sie von einer Sammlung von Lauten und Mimik direkt zur modernen Sprache gewechselt, oder hatten sie zuerst eine Protosprache (Ursprache)? Und falls es eine Protosprach gab, wann ist sie entstanden? – Noch können wir diesen Fragen nicht beantworten.

Forscher haben unterschiedliche Theorien über Vorgänge der Sprachevolution. Einige behaupten, dass die Sprache in einem einzigen Sprung entstanden ist. Dieser Sprung wurde durch eine Mutation beim Homo sapiens erzeugt, die ein komplettes System im Gehirn schuf mit dem Menschen komplexe Bedeutungen durch Kombinationen von Klängen ausdrücken. Diese Forscher neigen auch dazu zu behaupten, dass es nur wenige Aspekte der Sprache gibt, die nicht bereits bei Tieren vorhanden sind. Andere Forscher vermuten, dass die Sprache sich graduell in kleinen Schritten entwickelt hat. Die besonderen Eigenschaften der menschlichen Sprache haben sich langsam, vielleicht über einige Millionen von Jahren, durch eine Abfolge von Hominidenlinien entwickelt.

Egal welche Theorie man bevorzugt, beide haben die Gemeinsamkeit in einem Sprachsystem zu münden, das aus einzelnen Wörtern besteht. Dies ist zwar komplexer als die meisten tierischen Sprachsysteme, aber immer noch weit entfernt von der modernen Sprache. Ein nächster plausibler Schritt wäre die Möglichkeit, mehrere solcher „Wörter“ aneinander zu reihen, um eine Botschaft zu erzeugen, die sich aus der Bedeutung ihrer Teile zusammensetzt. Diese Art von System wäre immer noch nicht so komplex wie die moderne Sprache, ist aber trotzdem viel fortschrittlicher als ein Ein-Wort-System. Dieser Vortyp eines modernen Sprachsystems wird oft als Protosprache bezeichnet. Tatsächlich finden wir eine solche Protosprache bei Kleinkindern, Erwachsenen, die eine Fremdsprache anfangen zu lernen, und in den sogenannten Pidgin. Dies hat einige Forscher zu der Annahme veranlasst, dass das System der Protosprache im modernen menschlichen Gehirn immer noch vorhanden ist. Um diese Protosprachen zu modernen Sprachen weiterzuentwickeln, mussten Plural-Marker, Zeitmarken, Relativsätze und Ergänzungsklauseln hinzugefügt werden, die eine Differenzierung und Hierarchisierung innerhalb des Satzbaus einer Sprache erzeugen.

Der Ursprung der Sprache bleibt eines der größten Geheimnisse der Geschichte der Menschheit. Es ist möglich, dass wir mit dem Fortschritt der Wissenschaft in der Zukunft neue Erkenntnisse über das menschliche Genom, das so viele Informationen über die Geschichte unserer Spezies enthält, gewinnen werden. Bis wir in der Lage sind, die darin gespeicherten Informationen zu entschlüsseln – wird es ein Rätsel bleiben.

The Origin and Evolution of Language: https://youtu.be/nd5cklw6d6Q

Autor: Ben Segev

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