„Uns Sproch es Heimat“ – Was uns das aktuelle Kölner Karnevalsmotto über Dialekte verrät
Am 28. Februar ist es wieder soweit, der Straßenkarneval wird in Köln und vielen anderen närrischen Hochburgen eingeläutet. Dieser Tag ist bekannt als Weiberfastnacht, Altweiber, Fettdonnerstag, Schwerdonnerstag, Weiberfasnet oder Wieverfastelovend. Doch Moment mal: Wieso gibt es eigentlich so viele unterschiedliche Ausdrücke für ein und denselben Tag? Wieso feiern manche Leute Karneval, andere Fasching, Fas(t)nacht, Fasnet, Fastabend, Fastelovend oder Fasteleer? Der Grund dafür liegt in den verschiedenen Dialekten, die über Deutschland verteilt gesprochen werden. Doch was genau sind eigentlich Dialekte, wer nutzt sie und überhaupt, warum sind sie bis heute eigentlich noch nicht ausgestorben?
Dialekte sind regionale Varianten einer Sprache, die auf den Ebenen des Satzbaus, des Vokabulars und der Aussprache von der Standardsprache abweichen. Sie werden häufig nur in der gesprochenen, nicht in der Schriftsprache verwendet und besitzen kein einheitliches System. Das bedeutet, dass Dialekte durchaus unterschiedliche Varianten besitzen und sich von Sprecher zu Sprecher ein wenig unterscheiden können. Das Wort Dialekt stammt übrigens aus dem Griechischen (‚diálektos‘), wurde aber auch von den Römern und somit ins Lateinische (‚dialectos’) übernommen und bedeutet „Gespräch und Redensweise von Gruppen“. Auch unser Standarddeutsch hat sich letztlich aus verschiedenen Dialekten und Varianten des Deutschen entwickelt.
Heutzutage gibt es in Deutschland je nach Definition und Zählweise ungefähr 20 Dialektgruppen mit unterschiedlich großen Übergangsgebieten. Damit gilt Deutschland als ein Land vieler Dialekte, die sich hauptsächlich nach der sogenannten zweiten Lautverschiebung herausgebildet haben.
Die zweite Lautverschiebung, auch „hochdeutsche Lautverschiebung“ genannt, war ein Prozess, der den Lautwandel von Konsonanten zur Folge hatte. Er fand zeitlich ungefähr zwischen 600 n.Chr. und 800 n.Chr. statt. Dabei trennten sich u.a. hochdeutsche und niederdeutsche Dialekte sprachlich voneinander, denn die niederdeutschen Varietäten im Norden Deutschlands wurde nicht von der zweiten Lautverschiebung beeinflusst. Anders ging es im Süden und in der Mitte Deutschlands zu, die mittel- und oberdeutschen Dialekte wandelten sich zu „hochdeutschen“ Dialekten. Den größten Einfluss hatte die zweite Lautverschiebung wohl auf die Konsonanten /p/ und /t/, die sich zu /ff/, /f/ und /pf/ bzw. /ss/, /s/ und /ts/ wandelten. So wurde zum Beispiel slapen zu schlafen und dat zu das. Wer sich dafür interessiert, welche Konsonanten noch betroffen waren, findet hier eine Übersichtstabelle.
Kölsch als mitteldeutscher Dialekt hat die zweite Lautverschiebung allerdings nur zum Teil mitgemacht, denn es gibt auch Beispiele, die die Abwesenheit dieses Lautwandels verdeutlichen. So heißt ein beliebtes Obst auf Kölsch Appel statt Apfel und das Gewürz, das man meist neben dem Salz findet, Peffer statt Pfeffer. Gerade dieses zweite Beispiel zeigt den unvollständigen Wandel im Kölschen. So heißt dasselbe Gewürz im Englischen (wo die zweite Lautverschiebung gar nicht stattfand) noch stets pepper. Auch der ursprüngliche /t/-Laut ist im Kölschen zum Teil noch vorhanden. So sind dat, wat und et die kölschen Entsprechungen für das, was und es.
Vielleicht fragt ihr euch aber jetzt gerade auch: „Na und? Wer braucht außerhalb des Karnevals denn noch Dialekte? Sterben die nicht eh aus?“ Aber die Antwort ist eindeutig: Nein, Dialekte sterben nicht aus! Auch wenn ihnen das schon seit rund hundert Jahren immer wieder nachgesagt wird – die Dialekte an sich sind nicht vom Aussterben bedroht. Trotzdem kommt es vor, dass einzelne Dialekte aufgrund fehlender Sprecher*innen zurückgehen oder sogar ganz verschwinden. Dies passiert insbesondere bei den Dialekten, die in einer räumlich sehr begrenzten Gegend, wie etwa einem einzigen Dorf, beheimatet sind. Dafür gibt es heute aber häufiger auch Dialekte, die in einem größeren Bereich, wie etwa einer ganzen Region, gesprochen werden, und die man daher auch Regiolekte nennt. So spricht man zum Beispiel im Ruhrgebiet das sogenannte Ruhrdeutsch oder etwas südlicher in NRW einen Rheinischen Regiolekt. Und wusstet ihr, dass auch Gebärdensprache über Dialekte verfügt? Es gibt zum Beispiel nicht nicht nur ein Gebärdensprache-Kölsch oder -Bairisch usw., eine Gebärde im Norden des Landes kann sogar eine andere Bedeutung aufweisen als im Süden.
Fazit ist auf jeden Fall: Egal, ob man sie nun als Regiolekte, Mundarten oder als Dialekte bezeichnet, sie werden weiterhin gesprochen und quer durch das soziale Klassensystem immer beliebter. Und auch, wenn meist v.a. ältere Menschen und Männer auch häufiger als Frauen Dialekt sprechen, wünschen sich viele Sprecher*innen Umfragen zufolge, sie würden Dialekt sprechen können. In manchen Schulen wird der Dialekt zum Teil sogar als Fremdsprache gelehrt. So können die Kinder ihn, wie schon Generationen zuvor, im Alltag nutzen. Es lässt sich allerdings auch beobachten, dass Menschen in ländlichen Gegenden häufiger einen Dialekt nutzen als Menschen in (Groß-)Städten. Besonders viele Dialektsprecher*innen finden sich dabei im Süden Deutschlands, mit Bairisch als dem meistgesprochenen Dialekt.
Aber wozu jetzt das Ganze? Um ein Kölsch zu bestellen, muss ich Kölsch ja nicht sprechen. Verstanden werde ich wahrscheinlich auch so. Dialekte haben aber zusätzliche soziale Funktionen, die sie von der Standardsprache unterscheiden. Durch sie kann man den Fokus mehr auf die emotionale Nähe legen. Sie können ein Gefühl von Heimat und Zusammengehörigkeit ausdrücken, eine bestimmte Mentalität wiedergeben und sind ein Teil der Kultur, die sie ausdrücken. Auch der Humor ist unmittelbar mit dem Dialekt verbunden. Dialekte sind also für viele Menschen etwas, das eng mit ihrer Identität zusammenhängt.
Und damit sind wir auch wieder bei den vielen unterschiedlichen Bezeichnungen für den Donnerstag vor Rosenmontag und die gesamte „fünfte Jahreszeit“. Da sie aus verschiedenen Dialekten stammen, sind sie auch mit unterschiedlichen Traditionen aus den verschiedensten Regionen verbunden. Karneval ist eben nicht gleich Fasching. In Köln feiert man übrigens Wieverfastelovend, Fastelovend und Fasteleer. Weshalb Fastelovend und Fasteleer (beide bedeuten „Karneval“/“Fastnacht“) aber parallel genutzt werden, ist auch unter Linguist*innen noch nicht geklärt. Was wir aber wissen: „Uns Sproch es Heimat“, das Motto des Kölner Karnevals 2019, ist Programm. Das Sprechen eines Dialekts verbindet uns Menschen mit unserer Heimat und der Kultur, die dort gelebt wird. Und das gilt nicht nur für Karnevalist*innen.
Und nun ein: Hätzlich willkumme un fröhlichen Fastelovend!
PS: Wer übrigens neugierig geworden ist, wie gehörlose Karnevalist*innen Karnevalssitzungen, aber auch Konzerte oder ähnliche Veranstaltungen erleben, der kann gerne diesem Link hier folgen.
Autorin: Leni Heimrich
Beitragsstartbild: Quelle: Wikipedia Datei: DBP 1972 748 Kölner Karneval.jpg, Briefmarken-Jahrgang 1972 der Deutschen Bundespost
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